Mitten in der Nacht lauern zwei Typen in der Umgebung meines Zeltes. Einer ruft „Ohayo!“ Ich antworte mit „Ohayo gosaimasu!“ Da schrecken die beiden aber sofort zusammen. Der Typ labert mich auf Japanisch dicht. Ich verstehe natürlich kein Wort. Ich sage „eigo onegaishimasu“. Er darauf „wakarimasen!“ War ja klar. Ich frage nach der Zeit. Er sagt irgendwas mit „san ji…!“ Was? Drei Uhr!? Wo ist mein Handy. Das kann nicht wahr sein. Es ist tatsächlich um 0330 mitten in der Nacht. Sie spinnen wohl. Ich krauche aus meinem Zelt und wen muss ich da sehen? Die Bullen. Die lassen mich nicht mal in der Nacht alleine, die blöden Schweine. Da habe ich ja schon wieder so einen dicken…Hals. Er fragt wohl wohin ich möchte. Nagoya! Dann fragt er noch was. Keine Ahnung. Sage Tokio. Nun ist er verwirrt. Start Nagoya!? Fragt er. Nein. Start Tokio to nagoya. Das kann er ja wieder nicht glauben. Er will meinen Pass sehen. Vergiss es Alter. Bekommst nur meine Kontaktkarte mit Name und E-Mail Adresse. Außerdem wird das kalt in meinem Zelt…mach hin Alter. Das reicht ihm irgendwie nicht. Ich gebe ihm dann meine alte abgelaufene Krankenkasse-Karte. Da guckt er aber nicht schlecht. Er schreibt den Namen ab und dann fällt ihm auf, dass ich Deutscher bin. Dann wünscht er mir noch eine gute Reise und er und sein Kumpel verkrümeln sich. Ich glaub das einfach nicht. Schlafen die denn nie, die blöden Bullen!?
Nach dieser Action werde ich um 0620 wach und mache mich mobil, damit ich heute vielleicht doch noch paar Kilometer reißen kann. Zum Frühstück gibt es eine Nudelsuppe, ein paar trockene Cornflakes (weil ich die Milch bereits ausgesoffen habe) und zwei Toast mit Honig. Abfahrt nach gepacktem Zelt ist um etwa 0900. Ich habe noch Wasser an einer Zuleitung gesaugt die ich nahe einer Toilette gefunden habe. Das Wasser hier in Japan, so scheint es mir, scheint immer so einen leichten Chlor Geschmack zu haben. Ich weiß nicht. Zum Kochen reicht mir das ja, aber zum Trinken, kaufe ich mir lieber etwas.
Ich setze meinen Weg auf der Route 381 fort und fahre heute über die lange Brücke. Geiles Teil. Am Morgen habe ich ja überlegt, ob ich nicht auf den Güterzug aufspringen kann, der nur 500 Meter weiter südlich unterwegs ist. Aber ich kann das nicht mit dem Bike machen, nur wenn ich meinen Rucksack dabei habe. Das mache ich auch noch mal!
Meine Knie schmerzen schon seit einigen Tagen beim Bewegen. Auf gerade Strecke geht das noch. Aber wenn ich jetzt im Zelt hocke oder aufstehen will, Alter, das haut vielleicht rein. Die kommenden Berge machen mir deswegen ordentlich zu schaffen. Schleiche die Berge nur hoch. Ich erreiche ein kleines Dort in dem ich einen relativ interessanten Ort zum Fotografieren finde. Dann mache ich mich daran die Berge zu erklimmen. Keine leichte Sache. Ich lese ein Schild mit „Station“ und „Airport“. Ich überlege, ob ich zum Flughafen fahren sollte und mich direkt nach Deutschland fliegen lassen kann. Aber die Bahnstation ist dichter.
Ich fahre dort ran und frage was es noch Nagoya kostet. 2500YEN sagt der Jungspund mit miserablem Englisch. Und ich dachte immer meins sei schlecht. Ich frage was mit meinem Bike ist, ob das mit kann. Nein, das muss kleiner gemacht und in eine Tasche gepackt werde, Drecksack. Der weiß ja nicht, was das für Arbeit macht. Ich frage mit Hilfe einer Zeichnung ob es möglich ist, mein Bike mit dem Güterzug zu bewegen. Mein, sagt er dazu. Spinner! Ausgesprochener Spinner. Viele Güterzüge sind so leer, das man locker einen ganzen Schaufelradbagger damit transportieren kann. Aber auch eine Ausnahme ist nicht machbar. Unkooperatives Pack hier bei der Bahn. Ich suche also im Dorf nach einem Bikeshop. An einem Sonntag! Die haben wahrscheinlich ohnehin alle dicht. Ich fahre zurück und frage ob meine blaue Plane ausreichend ist. Ja, das geht.
Ich fange also um 1030 direkt vor der Station an die Koffer ab zu basteln und das Bike zu zerlegen. Das dauert ewig. Um 1130 bin ich damit fertig. Dann kaufe ich mir das Ticket und zottel mein Zeug zum Bahnsteig. Ich frage wann und wo ich umsteigen muss. Der komische Kauz schreibt mir das alles auf. Die Bahn fährt um 1154 von Gleis drei ab. Ich habe tierische Panik, das was zurückbleibt, wenn ich umsteigen muss. Ich muss zweimal umsteigen und schleppe mich fast zu Tode mit den drei fetten Gepäckstücken und meinem Rucksack. Aber ich kann wenigstens ein wenig die Gegend aus dem Zug heraus filme. Ist ja auch mal was.
Um 1500 stehe ich vor dem Hauptbahnhof in Nagoya. Das hat ja mit dem Zug schon ewig gedauert. Ich fange im Schatten an das Bike zu komplettieren. Da kommen schon wieder die ersten Drecksbullen an und jammern mir die Ohren voll, dass ich hier mitten im Weg sitze. Mir doch egal. Die Bullen sitzen mir den ganzen Tag im weg. Das Bike ist recht zügig wieder eins, nur die Koffer nicht. Ich suche etwas zum draufstellen und versuche die Koffer zu fesseln. Das gelingt mir nicht ganz. Der gewählte Poller ist zu hoch.Der Kompass zeigt mir den Weg. Ich sollte erst mal Richtung Osten fahren bis ich auf eine Brücke stoße. Also los. Klack. Scheiße! Wieder die Kette. Ich kann sie aber noch gerade so vor dem Hungertot retten. In einer kleinen Security Box steht ein Kauz der genau gesehen hat was passiert ist. Ich wollte einen Lappen haben. Begreift er nicht. Aber der andere mit dem er sich gerade unterhalten hat, weiß sofort Bescheid und gibt mir eine Packung Taschentücher die ich auch behalten darf. Dann kann ich endlich los.
Ein junger Japaner gesellt sich für einen kurzen Moment zu mir und ist von der aufwendigen Konstruktion begeistert. Ich muss aber zusehen, dass ich hier weg komme, bevor es dunkel wird. Ich fahre also mit halbherzig konfigurierten Koffern los. Wollte ich zuerst. Aber die Kette steckt wieder schön seitlich am Tretlager fest. Ich kann sie gerade noch mit geringem Aufwand herausziehen. Das muss ich unbedingt ändern. Ich halte auf die Schnelle bei einem MC keine 13 Meter von meinem Bauplatz entfern um drei Cheese und eine Coke für 560YEN zu vertilgen. Hatte ja heute kein Mittag. Dann geht es ab. Aber wo lang!?Ich lese ein Schild das auf den Hafen deutet. Ich dachte, dass ich dort sicher was finde und folge der Straße in eben jener Richtung. Süden! Der einzige Fluss den ich hier jetzt sehe ist aber von allen Seiten gut einbetoniert. Gute drei oder vier Kilometer südlich finde ich einen kleinen Platz der etwas abgelegen scheint und wo scheinbar niemand so oft lang geht. Dort errichte ich mein Zelt für die Nacht.
Memo an mich selbst: Freitag 13.04.2012, 1156. Sitze bei MC und schreibe den Bericht für die letzte Woche. Ich komme mir ja doch so ein bisschen vor wie in Deutschland. Wenn ich hier die Posts in Deutsch schreibe dann vergesse ich alles um mich herum. Auch das hier nur Japaner sind die kein Englisch sprechen können!^^
An dieser Stelle habe ich gerade genug Platz für das Zelt. Das passt. Aber der Boden ist wieder absolut hochverdichtet. Kaum eine Chance einen Erdnagel in den Boden zu bekommen ohne ihn gleich zu einem Hufeisen zu biegen. Ich verwende einen Trick, und ramme die Nägel in einem sehr spitzem Winkel zum Erdboden rein, damit die nicht 15cm aus der Erde stehen. Ich kann auch zwei Erdnägel in einen Spalt in der Wand festsetzen. Zum Abendbrot gibt es wie bisher eine Nudelsuppe. Während der Reise habe ich viel Energie verbraten. Wenn ich nicht den ganzen Tag reise, geht der Verbrauch auch wieder runter.
Memo an mich selbst: Ich bin jetzt also in Nagoya, auch wenn nicht ganz auf dem legalem Weg. Ich versuche erst mal eine Karte in der Touristeninformation zu erhalten, und irgendwo „Hello Work“ zu finden. Ich sollte wohl auch versuchen in Restaurants oder Bars zu fragen, ob die Arbeit haben. Suche nach einem Laden wo ich mini Super Dollfie kaufen kann. Gut, nicht so wichtig, kann ich auch übers I-Net bestellen. Versuche morgen Postkarten zu senden. Ich muss unbedingt mal ins I-Net und Mails checken.
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